Plätze, Zeiten, Stunden, Menschen / R.’s Blog

Foto: Peter Kapusta

13. Juli 2025
Käsekuchen und Demenzimpfungen

Ein einstiger Kollege kommt vorbei, besucht uns, bringt Kuchen mit. Rührteig mit Rhabarber, zart und fluffig – und einen sensationellen Käsekuchen mit Eiglasur und Rosinen! Ein gebackener Gottesbeweis! Und gerade jetzt isst meine Frau keinen Zucker! In Freiburg auf dem Münstermarkt gibt es eine ähnliche Sensation, das weiß ich. Sonst kenne ich nichts Vergleichbares. Bei uns im doch so geliebten Duisburg hätte ich einen solchen Käsekuchen allerdings nie für möglich gehalten! – Jaja! Vom Neudorfer Markt, sagt er, bei dieser, dieser, die Kirche, da hinter dem Bahnhof. Herrgott, je wie heißt die, Suzanna hat da mal gewohnt, die Kirche beim Bahnhof, dahinter… – Ein paar Sekunden tiefes Schweigen. Vier Augäpfel gelieren. Kein Engel, der da durch den Raum geht. – Lutgeri! brülle ich schließlich. Lutgerikirche! Ja. Stimmt. St. Ludger. -Erschöpftes Schweigen über nun stetig schwindendem Kuchen.

Ich lass mich bald impfen, erzählt er mir jetzt. Ja. Impfen. – Aha. Gegen was denn? – Gegen Gürtelrose. – Wieso das denn? Wieso hast Du denn Angst vor ausgerechnet Gürtelrose? – Nee, nee. Um die Gürtelrose geht’s dabei nicht. – Um was denn? – Ja. Das weißt Du nicht. Lass Dich gegen Gürtelrose impfen, das wirkt als einziges. (Pause) Diese Impfung hält die Demenz auf!

13. Juli 2025
Traumleistungen

Seit ich in Rente bin, träume ich in den frühen Morgenstunden diverse Verfahren und erfülle mir Wünsche.

Ende April habe ich mir so einen neuen Füller geträumt. 

Er war handgearbeitet, sehr dünn, und aus anthrazitfarbenem Horn. Gleich im Traum schien mir das ein unübliches, ein gewagtes und zugleich treffendes Material. Ungefärbt wie es war, zogen sich heller graue, cremefarbene, weiße feine Streifen durch den polierten Stift. Horn eben war’s, es war ein Füller aus Horn!

Auf der Kappe oben saß ein rundes schwarzes Plättchen aus Schellack, das etwa wie eine winzige waagrecht aufgesetzte Baskenmütze nach allen Seiten etwas überstand. Es wurde mittig von einem feinen goldglänzend polierten Messingnagel gehalten. Man sah nur sein Köpfchen: eine winzige goldene Kugel. Eine Goldfeder hatte der Füller auch, die federfassende untere Hälfte bis zum Schraubgewinde – ein Patronenfüller war’s also! – war wirklich sehr kurz. Kaum hielt sie die fassende Fingerkuppe beim Schreiben. Und da ich, wie’s mir nun auffiel, den Füller ja träumend selbst hergestellt hatte, erneuerte ich dieses Teil, schliff ein längeres, schwereres, massiveres aus umpoliert mattem Messing, ein ideales Bindeglied zwischen Gold und Horn. Und nun war er fertig. Alles an diesem Stück empfand ich als fein stimmig, erlesen.
Als ich kurz darauf glücklich erwachte, schien mir mein ganzes Leben ebenso so fein, stimmig, erlesen wie dieser Füller und der Eistee aus dem Kühlschrank, mit von meiner Frau aus den Schalen gekochtem Zitronensirup verfeinert.

Jetzt, heute und Mitte Juli schnitt ich – wieder im Traum – eine kleine Menge von Q-Tips etwa zwei Zentimeter unter dem Wattekopf ab, tränkte die Enden in Vaseline und warmem Wasser und liess sie auf einem Metalltablett ruhen. So zog ich Fast-Pflanzen, wie ich sie nannte. Sie begannen alsbald zu leben. Ich setzte sie mir vorsichtig mit der Schnittkante auf die zahnlosen Kiefer, wo sie sofort Wurzeln schlugen und ihre Watteköpfe mit Gold überzogen. Einmal ausgereift, waren sie mühelos in der Lage sogar eine größere Geschiebeprothese zu tragen und erwiesen sich, da ganz lebendig und fröhlicher Teil des lebendigen Körpers geworden, als beständiger und besser als jedes tote Implantat. Wirklich ein großartiges neues Verfahren!

Immer häufiger träume ich in letzter Zeit etwas worauf ich stolz sein kann. Sleep my darling!, sagte ich im Halbschlaf zu meiner Frau, die erwacht war, I am writing poems!